Mittwoch, 14. März 2007
Geschichten aus der tropischen Heimat der Plastiktüte
Nach der ersten Woche Südamerika hab ich zwar Eindrücke für zwei bedingt gute Bücher gesammelt aber noch nichts darüber geschrieben. Südamerika ist auch ein bisschen zu Grosszügig (hier gibts kein scharfes s!), denn bisher war ich ja "nur" in Brasilien. Gehen wir mal chronologisch vor, schliesslich mögen wir deutschen es ja strukturiert ;)

Gelandet bin ich in São Paulo, wo ich auch meine ersten 5 Tage verbracht habe. São Paulo ist ein riesiger stinkender Moloch. Megalopolis! Babylon. Babylon triffts wohl am besten. In São Paulo leben Menschen aus jeder Kultur dieses schönen Planeten und alle sind nur aus einem Grund hier: Geld. Entweder weil sie es haben oder weil sie es wollen. Hier grenzen Glastürme grosser internationaler Banken an Favelas und Rotlichtviertel. Ohne Grenzen, also vorsicht weisser reicher Europäer! Versteht mich nich falsch ich liebe diese Stadt, aber sie ist der Vorhof zur Hölle, fast zynisch wirken die ganzen religiösen Sprüche und Bilder der brasilianischen Rechten die hier überall hängen. In diesem Land herrscht Apartheid zwar nicht offiziell aber unterschwellig, zumindest die Graffities sprechen es aus. Aber São Paulo ist auch das kulturelle und künstlerische Herz des Landes. Nur hier ist es Künstlern möglich von ihrem Schaffen zu leben. Musiker, Schauspieler, Maler, Schriftsteller, Homosexuelle und Lebenskünstler kurz die Boheme des Landes versammelt sich in der Innenstadt auf engstem Raum. Du brauchst nen Gitarristen? Sprich hier wahllos jemanden auf der Strasse an und wahrscheinlich hast du sogar den berühmtesten des Landes erwischt! Jeder kennt jeden und alle sind auf MTV! Ich war auch da ;) aber nicht im Fernsehen. Rodrigo und seine Band Dead Fish sind der dickste Fisch im Teich der alternativen Musik Brasiliens. Manche Leute denen ich im Gespräch erzählt hab wo ich hier untergekommen bin, sind fast durchgedreht! Rockstars eben. In meinen 5 Tagen hab ich 6 Gigs gesehen, ein dutzend Clubs & Bars von innen gesehen und manchen davon wieder vergessen ;) Diese Stadt schläft nicht!

Wenn sie mich eins gelehrt hat, dann dass unser Reichtum in Europa nicht nur im möglichem Lebensstandard besteht sondern in der Ausgewogenheit unserer Gesellschaften. In São Paulo findet man viel Reichtum aber noch viel mehr wirkliche Armut. Dazwischen gibts nicht viel. Das alles auf engstem Raum? Klar dass das nich klappt. Die Gewalt liegt hier förmlich in der Luft, nachdem was ich hier gesehen habe kann ich die Armen aber gut verstehen wenn sie das unfair finden, denn genau das ist es.

Am Montag hab ich São Paulo dann verlassen und bin 14 Stunden mim Bus nach Vitoriá, der Hauptstadt von Espirito Santo, gefahren. Unterwegs durfte ich feststellen, dass dieses Land die Krone der Schöpfung ist, ein wahres Paradies! Der einzige der hier alles ruiniert ist der Mensch. Dreckige Flüsse, rauchende Schlote und Müll überall, v.a. die von den Brasilianern wohl heissgeliebte Plastiktüte schickt sich hier überall an der örtlichen Flora Konkurrenz zu machen. Da weiss man nicht ob man schreien oder weinen soll.

Nun gut mittlerweile bin ich im Hafenstädchen Vitoriá angekommen und lebe das Cliché. Weisser Sandstrand, kilometer lang, Palmen überall und frische Früchte zum Früstück! Mein persönlicher Liebling ist ja das eisgekühlte Wasser der Kokosnuss direkt frisch aus der Nuss. Wenn nur die Menschen hier nicht auch wieder alles ruinieren würden...

Naja nächster Halt Rio de Janeiro...

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