Montag, 26. März 2007
Rio sehen und sterben
Dieser Satz stimmt sogar in mehr als einer Hinsicht und beschreibt Rio wie kein zweiter. Die Stadt ist zum einen die Krone der Schöpfung, einfach zu schön um wahr zu sein, und doch ist auch die Sache mit dem Sterben nur allzugegenwärtig. Grosse Armut und Gewalt beherrschen das Stadtbild genauso wie Zuckerhut und Christo. Eins vorweg mir ist nun wirklich garnix passiert und ich hab mich auch eigentlich immer recht sicher gefühlt, ich hatte aber auch grosses Glück bei Einheimischen zu wohnen und so lauter nette Menschen kennenzulernen die mir Rio auf die richtige Weise näher gebracht haben. Ohne diesen Umstand hätt ich hier glaub ich ziemlich doof aus der Wäsche geschaut.

Gleich nachdem ich in Rio angekommen war und mein unglaubliches Domizil in Ipanema, kaum 2 Minuten von einem der berühmtesten Strände der Welt, bezogen hatte gings auf ne irre Party in nem krassen Bonzen Apartment mit Blick auf den Gueva Fels. Als dann gegen Morgen Samba aufgelegt wurde und die aufziehende Morgenröte den Fels in ein Spektakel verwandelte, gabs für mich kein halten mehr. Es war mir kaum möglich noch mit irgendjemandem zu sprechen, denn ich hätte Tage so auf dieser Dachterrasse verbringen können. Zum Glück nicht, denn die Autofahrt nach Hause war noch um so vieles schöner. An den Felsen entlang, direkt in den Sonnenaufgang und dann taucht auf einmal der Strand von Leblon und Ipanema auf. Gemalte Wellen die es verstehen das simple Brechen in einem prachtvollen Schauspiel zu inszenieren. Mindestens Oskarreif. Dazu die perfekte Beleuchtung durch den Sonnenaufgang, einfach nicht in Worte zu fassen. In diesem Moment verlor für mich alles an Bedeutung es war als wäre der Sinn des Lebens ein brasilianischer Strand. Die Zeit stand still und wie ich dann auf einmal vor der Haustür stehen konnte weiss ich eigentlich nicht. Dieser Moment war so dominant und kraftvoll in seiner alles verdrängenden Schöhnheit, dass alles danach und davor nur wie ein Traum erscheint.

Ich könnte mich wahrlich in diesem Augenblick verlieren und dennoch wäre mein Durst nach ihm noch längst nicht gestillt. Eigentlich kann ich jetzt gar nicht mehr weiter schreiben weil er mich schon wieder ergriffen hat. Jetzt von Armut und Gewalt zu berichten erscheint mir fast unmöglich, doch genau das macht diese Stadt so surreal. Die sozialen Extreme liegen hier zwar nicht so vermischt beieinander wie in Sao Paulo, die Favelas wirken eher wie fremde abgeschlossene Welten die keiner über einem gewissen Einkommen kennt, aber trotzdem sind sie allgegenwärtig. Einschusslöcher, Armut und jede Menge Horrorgeschichten lassen dieses Paradies auf Erden wieder real erscheinen. 700 Tote durch Gewalt in 2 einhalb Monaten scheinen der Preis zu sein den man bezahlen muss um im Paradies leben zu dürfen.

Rio de Janeiro ist richtig erfahren ist jedenfalls eine Erfahrung die jemanden für immer verändern kann. Keine Stadt auf Erden verdeutlicht so das menschliche Dilemma, kein anderer Ort kann so Hölle und Paradies zu gleich sein. Mich wird sie nie wieder los lassen diese Stadt und ich werde zurück kehren müssen, denn in Rio findet man sowohl den Sinn des Lebens, man verliert aber zugleich auch seinen Glauben an die Menschheit, ein unerschöpflicher Quell der Inspiration...

Nächster Halt: Chile

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